13/08/2013

Burckhardt kannte die Götter Griechenlands, er wußte Tieferes von ihnen als alle andere Menschen seiner Zeit.

Restante texto + Tradução minha aqui: Jacob Burckhardt entre Grandeza e Decadência.

«[Jacob] Burckhardt wußte — sein Sichzurückhalten von Nietzsche und sein beharrliches Schweigen auf dessen immer dringlicher werdende Appelle machen es vollends deutlich —, daß er in der Zukunft nicht mehr würke existieren können. Aber den wirklichen Status seiner Zeit, den Befund der Dekadenz, hat Burckhardt keinen Augenblick übersehen. Und so kommt nicht nur in sein Wesen, sondern auch in seine Studien und seine Neigungen ein schmerzlicher Bruch hinein, daß er, der die Höhen des Kulturlebens und die Gipfel der Weltgeschichte zu durchforschen unternahm, gleichzeitig der Historiker der Dekadenz wurde. So ist es denn nicht nur die „Größe und stille Heiterkeit der Hellenen“, die sein Auge anzog und die den Schönheitssucher geganfennahm, sondern auch der Verfall der griechischen Kultur, dessen Darstellung er gegeben hat. „Auch die Zeiten des Verfalls und des Untergangs haben ihr heiliges Recht auf unser Mitgefühl“, heißt es im „Konstantin“. Und Burckhardt weiß zu tief um den Neid der Götter, um die Todesschatten, die auch über das gewaltigste Leben kommen, eben indem es zu Ende lebt: „Einmal muß es Abend werden.“ Diese melancholische Ahnung wirft ihre Schatten über den niedergehenden Tag, sobald er einmal den höchsten Sonnenstand überschritten hat. Burckhardt kannte die Götter Griechenlands, er wußte Tieferes von ihnen als alle andere Menschen seiner Zeit. Seine Liebe zu den Göttern hatte im Hintergrund noch das Wissen um die Forderung des heiligen Gottes. Man erinnere sich hier an die berühmt gewordenen Sätze, mit denen er am Schlusse eines Vortrages den schmerzvoll melancholischen Ausdruck im leichgesenkten Haupt des vatikanischen Hermes Psychopompos zu deuten sucht: „Ist es nicht, als ob das Bild zu sprechen begönne und zu uns sagte: Ihr wundert Euch, daß ich so traurig bin. Ich, einer der seligen olympier, die in ewiger Heiterkeit und unvergänglicher Lebenslust genießen und schauen. Wir hatten alles: Glanz himmlischer Götterschönheit, ewige Jugend, unzerstörbaren Frohsinn; aber wir waren nicht glüklich, denn wir waren nicht gut. Wir konnten nicht gut sein, weil wir nur ästhetische Ideale, keine ethischen Potenzen waren: Schaut Antigone, die edelste Tochter und Schwester, sie ging jämmerlich zugrunde, weil sie an uns glaubte und unsere Gebote heilig heilt. Schaut die trostlose Niole. Wir haben ihre schuldlosen Kinder erschlagen, nur um der stolzen Mutter unsagbar weh tun zu können. So ist unser Handeln allzeit gewesen. Wir haben nur uns selbst gelebt und allen anderen Schmerz bereitet. Wir waren nicht gut, und darum mußten wir untergehen.“»

Hans-Joachim SchoepsJacob Burckhardt oder auf den Spuren der verlorenen Zeit. in Gesammelte Schriften II.7. Olms (1999)

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