Ich: [...] »Ihr verlaßt euch darauf, daß der Stolz mich an der zur Rettung notwendigen Zerknirschung hindern wird und stellt dabei nicht in Rechnung, daß es eine stolze Zerknirschung gibt. Die Zerknirschung Kains, der der festen Meinung war, seine Sünde sei größer, als daß sie ihm je verziehen werden möchte. Die contritio jede Hoffnung und als völliger Unglaube an die Möglichkeit der Gnade und Verzeihung, als die felsenfeste Überzeugung des Sünders, er habe es zu grob gemacht, und selbs die unendliche Güte reiche nicht aus, seine Sünde zu verzeihen, — erst das ist die wahre Zerknirschung, und ich mache euch darauf aukmerksam, daß sie der Erlösung am allernächsten, für die Güte am allerunwiderstehlichsten ist. Ihr werdet zugeben, daß der alltäglich-mäßig der Gnade nur mäßig interessant sein kann. In seinem Fall hat der Gnadenakt wenig Impetus, er ist nur eine matte Betätigung. Die Mittelmäßigkeit führt überhaupt kein theologisches Leben. Eine Sündhaftigkeit, so heillos, daß sie ihren Mann von Grund aus am Heile verzweifeln läßt, ist der wahrhaft theologische Weg zum Heil.
Er: »Schlaukopf! Und woher will deinesgleichen die Einfalt nehmen, die naive Rückhaltlosigkeit der Verzweiflung, die die Voraussetzung wäre für diesen heillosen Weg zum Heil? Es ist dir nicht klar, daß die bewußte Spekulation auf den Reiz, den große Schuld auf die Güte ausübt, dieser den Gnadenakt nun schon aufs äußerste unmöglich macht?«
Ich: »Und doch kommt es erst durch dies Non plus ultra zur höchsten Steigerung der dramatisch-theologischen Existenz, das heißt: zur verworfensten Schuld und dadurch zur letzten und unwiderstehlichsten Herausforderung an die Unendlichkeit der Güte.«
Er: »Nicht schlecht. Wahrlich ingeniös. Und nun will ich dir sagen, daß genau Köpfte von deiner Art die Population der Hölle bilden. Es ist nicht so leicht, in die Holle zu kommen; wir litten längst Raummangel, wenn Hinz und Kunz hineinkämen. Aber dein theologischer Typ, so ein abgefeimter Erzvogel, der auf die Spekulation spekuliert, weil er das Spekulieren schon von Vaters Seite im Blut hat, — das müßte mit Kräutern zugehen, wenn der nicht des Teufels wär.«
Thomas Mann. Doktor Faustus. Fischer Verlag (2008) 331-332
Thomas Mann. Doktor Faustus. Fischer Verlag (2008) 331-332
Οὐαὶ ὑμῖν, γραμματεῖς καὶ Φαρισαῖοι ὑποκριταί.
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